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Freitag, 15. März 2013

Indien

Die Indienreise beginnt im August 2012 in Kalifornien. Anlässlich des Pebble Beach Concours d'Elegance, lerne ich auf einer Presseveranstaltung zufällig einen sehr interessanten, älteren Herrn kennen, den ich dort auf sein chices, bayerisches Jackett angesprochen habe. Das darauf folgende Gespräch eröffnet mir mit der Zeit, mit wem ich es zu tun habe. Es handelt sich um den Maharana (das ist so etwas ähnliches wie ein Maharaja) von Udaipur, der seinen Rolls Royce in Pebble Beach zeigt. Das Gespräch endet nach einer guten halben Stunde damit, dass er zusagt, bei Gelegenheit gerne wieder München zu besuchen und ich im Gegenzug doch einfach mal zu ihm reisen solle, damit er mir seine Oldtimersammlung im palasteigenen Museum zeigen kann. Gesagt, geplant.



Über den Winter wurde ein wenig Kontakt aufrecht erhalten: Im königlichen Palast wurde an einer Neuauflage des Buches über den in Pebble Beach gezeigten Rolls Royce gearbeitet, die um das Kapitel der Reise nach Pebble Beach - ein Höhepunkt in jedem Autoleben - erweitert werden soll. So wurde ich um einige Fotos gebeten, die ich auf dem Golfplatz während des Concours machen konnte und die ich gerne beisteuerte.

Anfang März schließlich dachte ich, dass es höchste Zeit wäre, die Reisepläne für die Oldtimersaison 2013 mit Szeneterminen (Messen, Rallyes etc.), Schulferien, privaten Terminen und der schließlich verbleibenden Verfügbarkeit, sowie Sabine's Urlaubsplan in Einklang zu bringen. So frage ich also im fernen Udaipur an, ob und ggf. wann es genehm wäre, meinen Besuch Wirklichkeit werden zu lassen.

Die prompte Antwort lautete, warum ich nicht gleich am 22. März anreisen würde, da vom 23. bis 26. März im königlichen Palast das alljährliche Holi-Fest gefeiert wird. Bei dieser Zeremonie wird das Frühjahr und der Neubeginn des Jahres begrüßt. Das wäre ja eigentlich ganz mein Ding - als bekennender Sonnen- und Wärme-Freund, der den Winter samt Schnee und Schmuddelwetter mit zunehmendem Alter zunehmend nicht leiden kann, dem Frühling einen gebührenden Empfang zu bereiten. Besonders, nachdem ich ungefragt den dunkelsten Winter seit Ewigkeiten durchstehen musste.

Meine Zusage erfolgte also ebenso schnell, wie die spontane Einladung und so waren die letzten 2 Wochen mit Vorbereitungen gut gefüllt. Visum besorgen. Kamera nebst Ausrüstung checken und um ein paar Kleinigkeiten ergänzen. Ein wenig zeitgemäßes Reise-Equipment kaufen (Brustbeutel etc.). Und vor allem - die bevorstehende Reise noch um ein paar interessante Termine zum Thema Oldtimer ergänzen.

Der ursprüngliche Plan, die Reise ab Delhi mit einem Motorrad anzutreten und dieses am Ende mit nach Deutschland zu nehmen, wird aufgrund der knappen, verbleibenden Zeit ebenso schnell verworfen, wie die Option, einfach einen Leihwagen zu nehmen. Wie es sich herausstellt, ist ein Auto samt Fahrer die preiswerteste Variante. Und die bequemste dazu.

Ach ja, Impfungen! Heute früh also noch schnell zum Arzt, eine Spritze und ein paar Medikamente abgeholt.  Hotels habe ich auch noch nicht gebucht. Da der Reiseplan seit gestern endlich steht, werden daher heute, am Vorabend der Reise, noch ein paar vermeintlich anständige Hotels für die erste Woche über Expedia gebucht - in der Hoffnung, dass sie in der Realität wenigstens halb so gut sind, wie die Fotos suggerieren.

Dummerweise kam heute noch eine Lieferung von Ford A Ersatzteilen an, die wenigstens gesichtet und ins Lager verbracht werden musste. Da einige Kunden dringend auf Teile warten, wurden diese auch noch verpackt und abgeschickt. Um mein Reisegepäck kümmere ich mich dann also - wie immer eigentlich - am Tag der Abreise. Glücklicherweise geht der Flug nach Delhi erst gegen Abend.

15. März 2013

Wenn der Sommer nicht zu mir kommt...


16. März 2013

Schon unmittelbar nach dem Start stelle ich fest: Etwas ist anders als normalerweise! Das Flugzeug legt sich gleich in eine ausgedehnte Linkskurve. Amerika liegt da mehr rechts, wenn man so will. Es geht also wirklich Richtung Asien. Der Flug ist so erstaunlich kurz (man hat das irgendwie gar nicht so recht auf dem Plan), dass ich nicht einmal dazu komme, das Bordprogramm zu genießen. Ich schalte den Monitor nicht einmal an, denn nach dem Abendessen versuche ich wenigstens ein, zwei Stunden zu schlafen, bevor wir mit einer halben Stunde Verspätung um 08:10 im Sommer landen. Angenehme 25 Grad (und "1 km Sicht") sind schon eine andere Ansage als die 2 Grad unter Null, die mich in München vor ein paar Stunden verabschiedet haben. Der Fahrer hat vereinbarungsgemäß auf mich gewartet - ich muss sagen, das klappt hervorragend. Meine erste (Bei-) Fahrt in einem Tata, Modell Indigo VS TDI  nimmt ihren Lauf. Trotz der kompakten Abmessungen bietet die rückwärtige Sitzbank ausreichend Beinfreiheit. Allerdings ist der Beifahrersitz auch ganz nach vorne geschoben. Eine Klimaanlage ist vorhanden und arbeitet ausreichend. Die Hupe - der absolut wichtigste Ausrüstungsgegenstand, wie ich schnell merke! - tönt laut und klar und in unregelmäßigen, aber kurzen Abständen.



Ohne große Verzögerung geht es gleich zum ersten von drei Terminen. In Indien werden zahlreiche Teile nachgefertigt, die oft direkt, häufig aber auch auf Umwegen über die USA nach Deutschland gelangen.  Hier sind es vor allem Tachometer und Motorradteile. Hinter einem großen Namen verbirgt sich - wie so oft - eine herrliche Mini-Bastlerbude. Trotz des sparsamen Designs der Geschäftsräume bringen die Leute ordentliche Teile auf die Reihe.

Auf der Straße lerne ich schnell die wichtigste Verkehrsregel: Vorfahrt hat, wer vor fährt. Alle Verkehrsteilnehmer hupen, was das Zeug hält. Jede Lücke wird gnadenlos genützt. Hupen bedeutet hier weniger Warnung als vielmehr Feststellung. Nämlich "Hier fahre jetzt ich!". Erstaunlicherweise bringt das Chaos niemanden aus der Ruhe. Keiner schimpft, keiner hupt aggressiv (würde im allgemeinen Gehupe auch gar keinen Sinn mehr machen), jeder wartet nur auf seine Chance, auf seine Lücke. Eine vorfahrtberechtigte, vierspurige Straße, die aus Gründen des Platzsparens von 6 - 7 Spuren genutzt wird, scheint kein Überqueren zuzulassen. Bis ein beherzter Tuk-Tuk-Fahrer die etwas 50 cm langen Lücken zwischen zwei Autos im fahrenden Querverkehr ausnutzt, um sei einzelnes Vorderrad hineinzudrängen und so unaufhaltsam eine Bresche in den Verkehr drängelt. (Ich wusste doch, dass es einen tieferen Sinn hat, dass die Dinger vorne nur ein Rad haben!) Der Querverkehr hat verloren und "unsere" Richtung drängt ebenso vehement wie zahlreich über die Vorfahrtstraße. Jedenfalls so lange, bis dort wiederum ein beherzter Tuk-Tuk-Fahrer das Blatt zugunsten seiner Fahrtrichtung wendet. Dieser Verkehr fordert seinen Tribut - es gibt kaum ein Auto, das nicht rundherum verbeult ist. Aber eins muss man sagen: Alles fließt.



Natürlich steht auch gleich am ersten Tag ein Besuch bei einem großen Oldtimersammler auf dem Programm. Aus dem geplanten gemeinsamen Ausflug in sein noch im Bau befindlichen Privatmuseum wird zwar aus aktuellem Anlass leider nichts (wegen eines Vorfalls muss er ins einer Eigenschaft als Anwalt heute noch dringend zum italienischen Konsulat), aber er gibt meinem Fahrer eine Karte und schickt uns einfach allein auf den Weg. Ich denke, in zwei Jahren könnte das Museum tatsächlich fertig sein. Ebenso wie der Auburn hier, Teil der 56 überwiegend amerikanische Fahrzeuge umfassenden Sammlung.




17. März 2013

Ooooh, wie viel gibt es noch zu lernen, was die motorisierte Fortbewegung angeht! Es geht schon damit los, dass es Straßenkategorien gibt, von denen ich bisher nicht einmal etwas geahnt habe. Somit gibt es auch keine Wörter dafür. Eine einmalige Chance also, einen Begriff zu prägen, der vielleicht eines Tages in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen wird:

1. Die „Autobahnähnliche Schnellstraße mit geteilten, bidirektionalen Richtungsfahrbahnen“. (Herrlich. Das kann direkt vom Gesetzgeber so übernommen werden.)

2. Die „mehrspurige multidirektionale Fernstraße“, hier „innerhalb geschlossener Ortschaften“

Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass je eigentlicher Fahrtrichtung eine zweispurige Richtungsfahrbahn zur Verfügung steht. Beide Richtungsfahrbahnen sind durch einen unüberwindlichen Trennstreifen (ggf. mit Zaun oder gemauerter Erhöhung) voneinander getrennt. Da es unzumutbar ist, einen oder gar zwei Blocks weit zu fahren, um die Richtung ordnungsgemäß zu ändern, kann auf dieser Straße ersatzweise gegen die Fahrtrichtung gefahren werden, allerdings möglichst auf der dem Straßenrand nächsten Fahrspur. Das gleiche Recht gilt auch für Transportfuhrwerke (auch mit Überbreite), die mittels vierbeiniger Zugtiere aller Art (Pferde, Esel, Maultiere, Kamele, Ochsen unterschiedlicher Gestalt etc.) bewegt werden, sowie für Handkarren. Der Bereich, der dem Trennstreifen am nächsten ist, kann auch von Fußgängern in beide Richtungen benutzt werden, denen ein gefahrloses Überwinden der Fahrbahntrennung nicht möglich erscheint. Das Problem der sog. „Geisterfahrer“ hat sich dadurch auch erledigt.

Der zweite Straßentyp entspricht im Grundsatz ungefähr einer vielbefahrenen, deutschen Bundesstraße, die gerade eine Ortschaft durchquert. Da berechtigtes Interesse der Bevölkerung anliegt, sich auf beiden Seiten der Straße zu bewegen (z. B. um zu tanken oder Einkäufe zu erledigen), kann diese überall, auch ohne entsprechende Lichtzeichenregelung beliebig in beide Richtungen, auch diagonal gegen die jeweilige Hauptfahrtrichtung, überquert werden. Somit entsteht ohne weiteres Zutun der Behörden eine Breitbandkreuzung, die sich durch den gesamten Ort erstreckt, was verwirrende Verkehrszeichen und Ampeln überflüssig macht. Um dies zu untermauern sind in gewissen Abständen Ampelanlagen installiert, die einzige den Zweck haben, ihre eigene Überflüssigkeit ständig unter Beweis zu stellen.

Ohne diesen beiden für uns fremdartig anmutenden Straßengattungen wäre der Verkehr in Indien nahezu unmöglich. Kombiniert mit der maximalen Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Verkehrsraumes durch Fahrzeuge aller Art (teilweise bis zu 125 %) und der vollständigen Ausnutzung der verfügbaren Nutzflächen eben dieser Fahrzeuge, garantieren sie einen stets fließenden Verkehr, der auch in Extremsituationen nur ganz selten zu sehr kurzen Phasen des Stillstands einzelner Verkehrsteilnehmer kommt.

Zwei Beispiele effizienter Fahrzeugnutzung:

- Wer denkt, dass ein 125 ccm-Motorrad nicht familientauglich ist, muss sich eines Besseren belehren lassen. Das durchschnittliche Motorrad wird von 3 Erwachsenen, wahlweise auch Kleinfamilien mit bis zu drei Kindern unter ca. 10 Jahren genutzt. Dabei findet ein besonders mutiges Kind Platz auf dem Tank (festhalten am Lenker möglich), ein etwas ängstlicheres bzw. größeres hinter dem Fahrer und möglichst kleines und leichtes Kind auf dem Schoß der ganz hinten und stets im Damensitz beifahrenden Mutter.

- Das (nicht nur) in Indien allseits beliebte, dreirädrige Tuk-Tuk – übrigens alle umweltschonend mit Gasbetrieb – sieht nur auf den ersten Blick so aus, als wäre es für einen Fahrer und zwei Fahrgäste gebaut. Vielmehr finden auf der Sitzbank bis zu vier Erwachsene (ok, schlanke Erwachsene, aber Erwachsene!) Platz. Die schmale Trennwand zwischen Fahrer und Fahrgastraum ist oben mit einem ca. 15-20 cm breiten Brett ausgeführt, das, entsprechend sparsam bepolstert, ebenfalls bis zu 4 Personen aufnehmen kann. Der schmale Platz hinter der hinteren Sitzbank, vermeintlich für 2 Gepäckstücke vorgesehen, nimmt ebenfalls ersatzweise bis zu vier Erwachsene auf, die gleichzeitig den rückwärtigen Verkehr im Auge behalten können. Da diese Fuhre nun unweigerlich nach hinten umkippen würde, finden auf der vorderen Fahrersitzbank (die bauartbedingt etwas schmäler ausfällt) drei Fahrgäste als Gegengewicht Verwendung.  Der Fahrer sitzt in diesem Fall auf dem Schoß eines oder auch zweier Fahrgäste. Somit können 16 (!) Personen transportiert werden. Und das auf einer Grundfläche von vielleicht 4 Quadratmetern. Gut, bei 16 ist der Fahrer mitgezählt, also eigentlich nur 15. Aber immerhin!



Die gut 125 %ige Ausnutzung der Verkehrsfläche wird unter anderem dadurch erreicht, dass zwei Fahrspuren i. d. R. von 3 Fahrzeugen nebeneinander benutzt werden. Außerdem kann der Raum unterhalb des hoch bauenden hinteren Überhanges großer und einigermaßen schnell fahrender LKW kurzfristig als Ausweichzone für die Motorhaube eines PKW benutzt werden, sollte doch einmal unvorhergesehenerweise etwas eng werden. Bei diesen Manövern hat der Fahrer des PKW die hintere Ladekante des vorausfahrenden LKW stets bequem im Auge (buchstäblich), da sie sich gut sichtbar nur etwa 20 cm vor der Windschutzscheibe befindet. Vom Einsatz des Scheibenwischers ist dann jedoch aus Platzgründen abzusehen.

Die Fahrt von Faridabad nach Agra lässt sich also mit einem knapp „vierstündigen Beinahezusammenstoß“ am besten beschreiben. Der Beinahezusammenstoß ist eigentlich eine chronische Form des Daseins als Verkehrsteilnehmer in Indien. So wie man bei uns fährt, stößt man hier eben ständig beinahe zusammen. Jedenfalls im Berufsverkehr. Da dies aber eine über einen langen Zeitraum gleichbleibend bestehende Situation ist, fällt es auch nicht weiter unangenehm auf. Und ich muss zugeben – es hat richtig Spaß gemacht. Jawohl. Ich liebe ja den flüssigen Fahrstil und es hat mich zeitweise echt gejuckt, selbst ans Steuer zu gehen. Da ich aber stets ein gutes Gefühl hatte, was meinen dynamischen Fahrer angeht, habe ich die Fahrt (ohne Gurt – aber der hätte beim fotografieren aus dem Fenster eh nur gestört) auf der Rücksitzbank genossen und konnte zeitweise ein Grinsen nicht unterdrücken. Das geht mir eigentlich selten so als Beifahrer.


In Faridabad habe ich übrigens zwei ebenso nette wie interessante Menschen getroffen, die sich schwerpunktmäßig um Oldtimer-Motorräder und deren Restaurierung kümmern. Und das auf einem unerwartet hohem Niveau, das jedem internationalen Vergleich standhält. Man wird sehen, ob sich das in Zukunft in spürbarer Weise auswirkt, erste gemeinsame Ideen sind schon geboren worden.

Neben all diesen eher fahrzeuglastigen Erlebnisses hatte der heutige Tag aber auch einen bemerkenswerten religiösen Aspekt: Vormittags hatte ich die Gelegenheit, den Lotustempel zu besuchen. Dieses Bauwerk zieht mehr Menschen an als das Taj Mahal (!).  Es ist ein Tempel der Glaubensgemeinschaft der Bahais (die ihre Wurzeln im heutigen Iran sehen), der übergreifend allen Religionen zur Verfügung steht als ein Ort des Glaubens, als „house of worship“. Angesichts der heute auf der Welt wütenden Glaubenskriege eine außergewöhnliche Situation, wenn man hier als Angehöriger des Christentums in einer Menschenmenge dem Tempeleingang zustrebt: Vor mir eine moslemische Familie mit streng verschleierten Frauen und eine Gruppe orange gewandeter buddhistischer Mönche. Dazwischen Hindus, deren Frauen in bunte, häufig bauchfreie Saris gehüllt sind. Außerdem eine Reisegruppe aus Israel deren Reiseleiter die Ansage eines Ordners ins hebräische übersetzt. In dieser Mischung stehen also ungefähr 40 bis 50 Personen und warten auf Einlass. Es wird gelacht, alle sind fröhlich und gut gelaunt. Im Inneren schließlich setzen sich alle auf die „Kirchenbänke“ und hängen ihren Gedanken und Gebet nach. Israelis und Araber weniger als 10 m voneinander entfernt und sich der Anwesenheit der jeweils anderen durchaus bewusst. Ich muss sagen, das ist irgendwie beeindruckend. Mir kommt unweigerlich das Motto „All is One“ in den Sinn – ich glaube, das steht im Hard Rock Cafe in London and der Wand.





Eine dazu passende, kleine Anekdote entsteht im Haus des Motorradrestaurieres, der mir stolz seine Sammlung alter Uhren, Ventilatoren und sonstiger mechanischer Gerätschaften zeigt. Dabei lenkt er die Aufmerksamkeit auch auf ein hölzernes Windrad, dessen Funktion er mir unter Zuhilfenahme eines knapp 100 Jahre alten Ventilators demonstriert. Er erzählt dabei, dass er gelernter Zimmermann ist und daher auch gerne mit Holz arbeitet. Er weist dabei auf eine Christusfigur hin. Das hölzerne Kreuz ist unübersehbar an prominenter Stelle im Eingangsbereich des Hauses angebracht. „Jesus war auch Zimmermann. Er ist also ‚aus der gleichen Familie’ und deswegen hängt das Kreuz hier, obwohl ich Sikh bin.“

Alles ist Eins. Und alles fließt.




18. März 2013

05:30 Uhr, der Wecker klingelt. Um 6:00 Uhr ist Abfahrt zum Taj Mahal, das bei Sonnenauf- und –untergang am besten wirkt. Pünktlich um 7:30 stehe ich dank eines einheimischen Führers praktisch ganz vorne in der Reihe. So ein Führer kostet zwar 300 Rupies, also knapp 5 Euro und noch einmal 200 Trinkgeld, ist aber letztlich sein Geld wert. Nicht nur, dass er einen Platzhalter ganz vorne in der Schlange am Eingang installiert hat, er weiß auch genau, wo es lang geht. So gelingen zahlreiche Aufnahmen noch bevor die allgemeine Menschenmenge von diesem unglaublichen Bauwerk Besitz nimmt.




Nach dem Frühstück inspiziere ich noch die örtliche Royal Enfield-Werkstätte. Man weiß ja nie, ob man nicht eines Tages mit einem ebensolchen Fahrzeug hierher kommt. Interessant ist nicht nur die Art, wie hier gearbeitet wird. Auch die Entsorgungsfrage von Problemabfällen ist virtuos gelöst. Denn auch hier gilt: Alles fließt. (In diesem Fall direkt in den Rinnstein.). Ab sofort heißt Royal Enfield bei mir „Royal Oilfield“.





Einer meiner neuen „Motorrad-Freunde“ hat mir empfohlen, auf dem Weg unbedingt Fatehpur Sikri zu besichtigen, weil da aus unerklärlichen Gründen der größte Teil der Touristen vorbei fährt. Diese bemerkenswerte Sehenswürdigkeit liegt etwa 40 km außerhalb von Agra auf dem Weg nach Jaipur. Der einzige Grund, den ich mir vorstellen kann, wäre die Ablenkung durch das „übermächtige“ Taj Mahal. Tatsächlich ist Fatehpur Sikri einen ausgedehnten Besuch wert. Besonders bemerkenswert ist auch hier eine eher religiöse Geschichte: Der Bauherr, Kaiser Akbar war mit 3 Frauen verheiratet: Eine war islamischen Glaubens, eine Hinduistisch und eine christlich. Und es hat funktioniert. Jede der Damen hatt ihren eigenen Wohnbereich. Der moslemische war mit Abstand der kleinste, dafür aber reich verziert. Die Christin hatte dagegen ordentlich große Gemächer und die hinduistische Dame, eine Prinzessin aus Rajasthan, hatte einen eignen Palast innerhalb des Palastes. Das wirklich Außergewöhnliche daran ist jedoch, dass alle drei Wohnbereiche mit ornamentaler Symbolik jeweils aller drei Glaubensrichtungen geschmückt waren. Alle drei Bereiche waren mit jeweils einem eigenen überdachten Gang mit dem Schlafgemach des Kaisers verbunden. Der Kaiser war also ein sehr liberaler Mensch, wie mir scheint. Trotz dieser praktischen Einrichtung wurde Fatehpur Sikri nur knapp 16 Jahre lang bewohnt. Vermutlich wegen Wassermangel musste die Anlage aufgegeben werden.















Nach Delhi (über 16 Mio) und Agra (knapp 2 Mio) ist Jaipur mit über 3 Mio Einwohnern die dritte Millionenstadt in drei Tagen. Dementsprechend ist natürlich auch der Verkehr. Erste Anlaufstelle ist das Hotel, da es schon längst dunkel ist, als wir die Stadt erreichen.



Erst jetzt fällt mir auf, dass es allgemeiner Standard ist, mit Fernlicht zu fahren. Dementsprechend ist es auch recht hell auf der Straße und so haben auch die gänzlich unbeleuchteten (Fahrräder, Fußgänger, Ochsen-/Pferde-/Kamelkarren, Lastenräder, Fahrradrikschas etc.) eine halbwegs faire Chance, noch rechtzeitig gesehen zu werden. Wenn nicht gerade der Gegenverkehr blendet. Sicherheitshalber wird daher zusätzlich zur Hupe allerseits die Lichthupe verwendet. Somit erklärt sich auch die Aufforderung „use dipper at night“ unter der ich mir bisher nicht viel vorstellen konnte – es ist die nächtliche Entsprechung/Ergänzung der Aufforderung „Blow Horn“ , die ebenfalls an das Heck fast aller motorbetriebenen Nutzfahrzeuge gepinselt ist. Der Stadtteil, in dem mein Fahrer beginnt, nach der Hoteladresse Ausschau zu halten, macht keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Vielmehr geht es extrem chaotisch zu. Allerdings habe ich mich schon etwas ans Chaos gewöhnt und warte erst mal ab, bevor ich mich ob der zu erwartenden Qualität meiner Herberge beunruhige. Und wirklich, in einer Nebenstraße wird es ruhiger und das Hotel entpuppt sich als kleine Oase inmitten des Getümmels.

19. März 2013

Der Tag in Jaipur beginnt zunächst mit einem touristischen Pflichtbesuch beim sagenhaften und weltbekannten Palast der Winde inmitten der Pink City. Der gesamte Altstadtbereich ist in ein gleichmäßiges, wenn auch größtenteils eher schmutziges Lachsrosa getaucht, die „color of welcome“, wie mein Fahrer Yogi betont. Zum Glück sind wir früh dran, denn kaum habe ich meine Fotos im Kasten, halten 5 oder 6 Tourbusse beinahe gleichzeitig und ein Strom Touristen ergießt sich auf die ohnehin recht enge Straße, die am Palast der Winde vorbei führt. Überhaupt würde dieses fünfstöckige Filigranbauwerk wesentlich besser wirken, stünde es etwas erhabener an einem weiträumigen Platz, anstatt in der eng bebauten Straße. Man hat beinahe Schwierigkeiten, die Fassade halbwegs auf dem Foto unterzubringen. Dummerweise ist sie auch noch eingerüstet, wie anscheinend die meisten Sehenswürdigkeiten der Welt, wenn ich davor stehe (ich glaube, das folgt dem gleichen Gesetz, wie die Schlange an der Kasse, die ja auch immer die langsamste ist!). Andererseits bietet das „Gerüst der Winde“ die Gelegenheit, asiatische Bambusgerüstbaukunst aus der Nähe zu bewundern, die gänzlich ohne Schrauben oder Nägel auskommt.




Wie auf Kommando bewirkt der plötzlich einsetzende Touristenstrom ein ebenso plötzliches Einsetzen der Aktivitäten anwesender Souvenirverkäufer, sowie das lärmende Auftauchen zweier Schlangenbeschwörer, die vor zwei vollkommen gelangweilten (sedierten?) Kobras hektisch in ihre Blasinstrumente pusten. Zeit für mich zu gehen.

Dieses Diesel-TukTuk hat es hinter sich und löst sich langsam auf

Wer sagt dass man Stahlträger nicht mit dem Fahrrad transportieren kann?

Das Amber Fort wartet. Dort wird der Tourist per Elefant einen knappen Kilometer bergan transportiert. Yogi, mein Fahrer, warnt mich vor den völlig überteuerten 900 Rupies, die dieses kurze Vergnügen kostet. Die beachtliche Warteschlange am Elefanten-Terminal macht mir den Verzicht leicht. Ein paar Minuten der Beobachtung, wie sich einige Touristen aufgrund ihres sehr deutlichen Übergewichtes ungelenk auf den Rücken ihrer Artgenossen Reittiere quälen, entschädigt dafür vollständig. Derart erheitert ist der kurze Aufstieg vom nächstgelegenen Parkplatz zum Fort ein Kinderspiel. In dessen herrlichem Hof bietet sich ein kurzweiliges Schauspiel, das aus dem farbenfrohen Gewimmel von Souvenirverkäufern, Reiseleitern mit bunten Schirmchen, Touristen, geschmückten Elefanten und passender Livemusik an Exotik kaum zu überbieten ist. Auch das Fort, eigentlich eher ein befestigter Palast, ist sehr interessant und aus der geplanten Stunde sind im Nu zwei geworden.




Nachdem die Reifen der wartenden Jeeps inspiziert sind, die durchaus nicht unseren Zulassungsvorschriften entsprechen, bin ich doch froh, dass „mein“ Tata oben parkt. Touristen werden nämlich auch mit ebendiesen Jeeps heraufgebracht, wenn der obere Parkplatz voll ist oder die Elefanten nachmittags nicht mehr arbeiten (nach einem entsprechenden Vorfall – einem der hierzulande üblichen Beinaheunfällen – hat die Elefantengewerkschaft den Einsatz der Tiere auf drei Runden á 2 Touristen pro Tag begrenzt).


Auf geht’s zum ersten von drei Oldtimersammlern, deren Adresse ich habe und die freundlicherweise bereit sind, mir Ihre Schätze zu zeigen. Der erste ist allerdings kurzfristig verhindert, was ihn nicht davon abhält, telefonisch alles zu organisieren, damit ich die Autos trotzdem zu sehen bekomme. Telefonisch werden wir in die nähere Umgebung des Sammlerdomizils dirigiert, dann holt uns dort jemand ab und geleitet und den letzten Kilometer. Der 10jährige Enkel nimmt mich in Empfang und führt mir stolz und in sehr gutem englisch wenigstens die Oldtimer seines Opas vor, die hier zuhause stehen und nicht gerade in der Werkstatt sind.


Weiter geht es zum örtlichen Audi-Händler (Audi Jaipur – gibt es wirklich!), der gleichzeitig Präsident des „Rajputana Automotive Sports Car Clubs“ ist. Dieser Club veranstaltet einmal im Jahr eine Rallye, die zwar nur ca. 50 km lang ist (das ist wohl den schlechten Straßen und der Hitze geschuldet), aber dafür umso ernsthafter zelebriert wird. Alles, was in und um Jaipur einen Namen hat, nimmt daran teil – vom örtlichen Maharaja bis hin zu Regierungsvertretern und Sammlern aus Delhi, Jodhpur und Udaipur. Den diesjährigen Termin habe ich leider um 2 Wochen verpasst, was den Präsidenten sofort veranlasst, mich für das kommende Jahr einzuladen. Es kommen nämlich, wie er stolz erzählt, über 100 Oldtimer zu dieser Veranstaltung – eine Größenordnung, die ich hier nicht erwartet hätte.

Mein dritter Termin ist verkehrsbedingt etwas verspätet und hat, um mir die Zeit adäquat zu vertreiben, kurzerhand einen vierten Termin für mich organisiert. So lande ich unerwartet auf dem Hof eines sympathischen jungen Mannes, der sich darauf spezialisiert hat, Willys Jeeps und Ford GPW’s zu restaurieren – eine Leidenschaft, die er von seinem Vater geerbt hat. Auch hier bin ich von der Qualität der Arbeit in der überdachten Freiluft-Werkstatt (!!!) positiv überrascht und werde spontan zum Jeep-Fan. Der Gedanke ans heimische Wetter (mein letzter Stand +2 Grad, also etwa 35 Grad weniger als hier) hält mich aber doch davon ab, sofort eine Bestellung aufzugeben.


Mittlerweile ist auch mein dritter Termin aufgetaucht. Im Gespräch stellt sich langsam heraus, dass er Angehöriger einer „royal family“ ist und somit gesellschaftlich ganz weit oben steht. Unter anderem ist er stolzer Besitzer des einzigen Daimler Dart in Indien. Er erklärt mir, dass bei den „Royals“ und „Nobles“ in Indien immer drei Themen von besonderem Interesse waren: Autos, Waffen (wg. der Tigerjagd) und teure Uhren. Bei ihm waren es dagegen immer schon Autos, Autos und Autos. Und ein paar Motorräder. Hauptberuflich ist er heute Besitzer und Betreiber des luxuriösen Hotels „The Hadoti Palace“ in Bundi, 200 km südlich von Jaipur, auf dessen Hausbroschüre natürlich zwei seiner Lieblinge abgebildet sind.


Kurzerhand macht er mir noch einen weiteren Termin bei einem Sammler für morgen Vormittag aus und ruft außerdem noch zwei Sammler in Jodhpur, der nächsten Station meiner Reise, an. Mal sehen, ob das auch noch klappt.

Wieder zurück im Hotel verspüre ich den Drang, das Chaos zwei Straßen weiter noch etwas genauer zu inspizieren. Ein kurzer Spaziergang (möglichst ohne die Orientierung zu verlieren!) und ich befinde mich inmitten eines umtriebigen Busbahnhofs. Von den hier wartenden, ankommenden und abfahrenden Bussen – vielleicht ca. 100 an der Zahl – ist nicht ein einziger auch nur annähernd in einem Zustand, der eine erfolgreiche HU in Deutschland zur Folge hätte. Am Ticketschalter kann man dementsprechend zwischen Tickets für „Deluxe„ oder wahlweise „Super-Deluxe“ Busse wählen. Während ich weiter vergeblich nach diesen „Luxusgefährten“ Ausschau halte, muss ich gleichzeitig aufpassen, nicht über einen auf dem Boden schlafenden Wartenden zu stolpern, nicht von einem überladenen Kofferträger gerammt zu werden sowie keinen Koffer auf den Kopf zu bekommen, der gerade einem der Fahrer beim Verladen auf dem Dach des Busses aus der Hand rutscht und aus 3 m Höhe herunterkommt. Trotz aufwändiger Suche finde ich am Ende weder „Deluxe“ noch „Super-Deluxe“ Busse. Eines aber entdecke ich: Die Rotel-Tours-Busse sind keineswegs die Erfindung eines findigen Niederbayern. Solche Busse hat es hier schon lange vorher gegeben. Mindestens acht Busunternehmen betreiben hier Busse nach dem gleichen Prinzip (genauso viele Betten an Bord wie Sitzplätze) im innerindischen Fernverkehr und alle Busse, die ich gesehen haben, haben vermutlich schon lange vor der Gründung von Rotel-Tours deutliche Gebrauchsspuren gezeigt. Außerdem haben alle diese Busse einen eigenen kleinen Tempel samt Räucherstäbchen vorne auf dem zentralen Armaturenbrett – da kann Rotel-Tours definitiv nicht mithalten. Man muss aber sagen, das die Rotel-Busse dafür in allen anderen Aspekten durchwegs ganz weit vorne liegen.

20. März 2013

Nach einem ausgedehnten Morgenspaziergang durch die im wahrsten Sinn des Wortes aufwachende Pink City, treffe ich den größten Juwelier Jaipurs, der mir von seinen Problemen bei der Ersatzteilbesorgung für seine beiden Mercedes-Oldtimer erzählt. Dabei macht ihm ein 1968er Modell, das er hier häufig sogar im Alltag fährt, mehr Probleme als sein 1939er Modell, das er hier in 2 Jahren von Grund auf restaurieren ließ, nachdem er es im Zustand 5-6 aus dem Nachlass einer „royal family“ erworben hat. Überhaupt sind praktisch alle Oldtimer in Indien früher in den Herrscherfamilien gelaufen – viele tun dies auch heute noch. Das normale Volk konnte sich solcherlei Luxus ja überhaupt nicht leisten. Ich sage Hilfe zu und er will mir Daten und Fakten der Autos sowie eine Liste der benötigten Teile per eMail senden. Mal sehen, ob ich mehr Glück bei der Ersatzteilsuche habe, als er.

Die Fahrradwerkstatt wird am Morgen eröffnet

 "Im Auftrag des ADAC"?

Eine siebenstündige Überlandfahrt führt über kleine Landstraßen, durch winzige Dörfer und bringt mich gerade rechtzeitig zum Abendessen nach Jodhpur in ein sehr nettes Hotel, das in einem 125 Jahre alten Haus untergebracht ist. Der nette Hoteldirektor, ein Urenkel des Erbauers, heißt mich persönlich willkommen und kümmert sich so aufmerksam und freundlich um mich, wie es mir in meinen zahlreichen Hotelaufenthalten noch nie passiert ist.
Mit immerhin über 1 Million Einwohnern ist Jodhpur übrigens die vierte Millionenstadt in vier Tagen. Es gibt wirklich wahnsinnig viele Menschen hier in Indien. Das wusste ich ja. Was ich allerdings nicht wusste, ist, dass der größte Teil davon offenbar gleichzeitig auf der Straße unterwegs ist.

21. März 2013

Zunächst nehme ich wie vereinbart Kontakt mit den beiden zuständigen Leuten der Oldtimersammler in Jodhpur auf. Beide sind erreichbar und der erste Termin findet gleich nach dem Frühstück statt. In einem Nobelhotel unweit des Palastes befindet sich der allergrößte Teil der imposanten Sammlung. Insgesamt über 20 Fahrzeuge, beinahe ausschließlich amerikanische Marken, in größtenteils hervorragend restauriertem Zustand finden sich hier. Ein Teil der Kollektion – ausschließlich geschlossene Autos - steht öffentlich zugänglich neben dem Hoteleingang unter einem langen Baldachin, während der größere Teil – die offenen Autos – im nicht zugänglichen benachbarten Hof ihre Garagenplätze haben. Besonders bemerkenswert ist ein Pontiac Cabriolet, von dem es zwei Stück in Indien gibt, jedoch niemand – inklusive Pontiac Clubs in USA und GM – weiß, was das für Fahrzeuge sind. Die Karosserien sind aber nachweislich original. Leider kann ich mit dem Besitzer, einem Cousin des Maharajas, nicht sprechen, da er nicht in der Stadt ist. Dafür habe ich ausführlich Gelegenheit, mit dem Mann zu sprechen, der für die Restaurierung und Erhaltung der Sammlung zuständig ist. Auch er klagt über teilweise schwierige Ersatzteilbeschaffung, teilweise begründet durch unverständliche Importbeschränkungen. So dürfen beispielsweise gebrauchte Ersatzteile überhaupt nicht eingeführt werden. Auch hier verspreche ich, nach Kräften behilflich zu sein.



Damit ist der Oldtimer-Teil des Tages erledigt und das Mehrangarh Fort will erstürmt werden. Diese imposante Befestigungsanlage mit integriertem Palast stellt sich als das Eindrucksvollste heraus, was ich in dieser Richtung je gesehen habe. So werden auch hier  aus einer geplanten knappen Stunde am Ende über 2 ½ Stunden und mein armer Fahrer muss schon wieder auf ein Mittagessen zu normaler Uhrzeit verzichten. Er ist aber mittlerweile bei mir schon daran gewöhnt und beklagt sich nicht. Im Gegenteil, er sorgt um kurz vor 17 Uhr sogar dafür, dass auch ich etwas bekomme, indem er einen Jungen losschickt, für uns beide etwas zu holen. Ich frage nicht, was der Kleine da anbringt, sondern probiere es einfach – sämtliche guten Vorsätze, was die Ernährungsauswahl und die damit einhergehende Vorsicht angeht, über Bord werfend. Aber es ist weder über die Maßen scharf noch in sonstiger Weise unangenehm. Nein, es schmeckt sogar sehr gut und ich esse es mit Appetit. Bisher bin ich damit eigentlich immer gut gefahren: Wenn etwas geschmeckt hat, hat es auch noch nie internistischen Schaden angerichtet. Ich weiß bis jetzt noch nicht genau, was es war, aber es war vegetarisch, herausgebacken, innen gelb und heiß, sowie dreieckig. Also hoffentlich auch morgen alles noch im grünen Bereich.





Ein ausgedehnter Spaziergang in der Umgebung des Clocktower, also im Zentrum Jodhpurs, bietet wieder alles, was man sich unter solchen orientalischen Städten vorstellen kann und noch viel mehr darüber hinaus. Das bunte Treiben ist faszinierend (wer schon einmal hier was, weiß, wovon ich rede) und man könnte sich problemlos einfach den ganzen Tag hinsetzen um zusehen, wie der Wahnsinn seinen Lauf nimmt.

Pferde-Rikscha in Jodhpurs Innenstadt

Beim Autofahren ist auch hier telefonieren verboten. Beim Motorradfahren scheinbar nicht.

Zwischenzeitlich hat auch der zweite Kontaktmann bei meinem verständnisvollen Fahrer angerufen und ich habe morgen um halb elf einen Termin im Palast, um mir die Autosammlung seiner königlichen Hoheit, des Maharajas von Jodhpur, anzusehen. Ich kann es kaum glauben, wie hier alles klappt. Und vor allem, mit welcher Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sich hier wildfremde Menschen um mich, einen für sie ebenso wildfremdem Europäer, kümmern und sich bemühen! Das einzige, was nicht klappt, wie geplant, ist der tägliche Internetzugang. War es in Agra schon nicht möglich, hat hier ein Kurzschluss das Modem beschädigt. Bei näherer Betrachtung der abenteuerlich „auf Putz“ verlegten, häufig wild und nicht isoliert verzwirbelten Verkabelungen in der ganzen Stadt bzw. wohl im ganzen Land, ist es eigentlich ein Wunder, dass es nicht ständig Kurzschlüsse gibt! Aber grundsätzlich ist das ja kein großes Problem - besonders angesichts der Probleme, die zahllose Menschen in Indien haben. Wird die Blog-Aktualisierung (seit 18.3., abends) eben erst morgen hochgeladen. Oder übermorgen. Man wird hier sehr schnell gelassener. Und zufriedener. Ich sollte öfter herkommen.

22. März 2013

Pünktlich um 10:30 Uhr fahre ich am Palast vor und werde sogleich vom hiesigen Kontaktmann begrüßt, der mich an den "Herrn der Autosammlung" weitergibt. Die Wartezeit verbringe ich damit, zunächst die Jaguarsammlung in der Vorhalle des Palastes des Maharajas zu betrachten. Wen wundert's, dass hier man hier einen Jaguar wie eine Trophäe an die Wand hängt - wäre die Jagd früher doch immer ein gerne genommener gesellschaftlicher Anlass.






Ich kann mich in der Garage nach Belieben umsehen. Zu diesem Zweck werden mir noch zwei Bedienstete an die Seite gestellt, die mir bei Bedarf Türen, Motorhauben und Garagentore zwecks besserem Licht öffnen.

Leider ist der Maharadja selbst erst morgen wieder in der Stadt aber ich denke, ich komme wieder einmal her. Und vielleicht habe ich dann Gelegenheit, mit ihm ein "Benzingespräch" zu führen.

Der Rest des Tages ist mehr oder weniger damit verplant, nach Udaipur zu fahren. Die Zubringerautobahn zur Hauptverbindung Delhi - Bombay ist eine viel befahrene Straße durch wüstenartiges Gebiet. Es sind die Ausläufer der Thar-Wüste, die sich fast von der Mitte Rajasthans bis nach Pakistan hinein erstreckt. Unterwegs habe ich noch Gelegenheit, die Jain-Tempel von Rankpur zu besichtigen. Dort fühlt man sich schlagartig in Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" versetzt. Da dort eine Menge Affen herumtollen, fehlte nur noch, das hinter der nächsten Ecke der Affenkönig King Louie auftaucht und sein "Ich wär' so gern wie Du" anstimmt. Diesen Ohrwurm kriege ich auch die nächsten 30 Minuten nicht mehr los. Aber egal, er passt irgendwie gut in die Landschaft.



Schließlich, es ist schon dunkel, ist Udaipur erreicht und durch die belebten engen Gassen der Altstadt geht es direkt hinein in den City Palast, wo ich in einem der dortigen Hotels, dem Fateh Prakash Palace Hotel, meine Bleibe für die nächsten Tage haben werde. Meine Frau ist schon zwei Stunden zuvor direkt aus München über Delhi hier im Palast angekommen und gemeinsam werden wir nun versuchen, möglichst viel Material zu sammeln. Man hat uns sogar noch ein Zimmer-Upgrade zugute kommen lassen und so lande ich unvermittelt in einer anderen Welt. Die Aussicht vom Balkon unserer Suite über den Pichola See mit seinem weltberühmten Lake Palace (bekannt spätestens seit "James Bond - Octopussy", der zu einem großen Teil hier in Udaipur gedreht wurde) ist einfach atemberaubend und irgendwie komme ich mir spätestens jetzt  vor wie in einem Märchen.

Mein treuer Fahrer wird sozusagen von mir entlassen. Er macht sich morgen früh wieder auf den direkten Heimweg nach Delhi (gut 700 km) macht. Er hat mich stets sicher und ohne jede "Feindberührung" souverän durch den Wahnsinns-Verkehr manövriert. Ich revidiere hiermit offiziell das Vorurteil, Inder könnten nicht Autofahren. Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe noch nirgends auf der Welt Fahrer gesehen, die die Abmessungen und das Fahrverhalten ihrer Fahrzeuge derart gut im Griff haben. Sie fahren ständig unter höchster Aufmerksamkeit und ich muss mich wundern, warum Indien nicht eine Unmenge von Renn- und Rallyefahrern hervorbringt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass man hier eben doch nicht die gleichen Chancen hat, wie anderswo auf der Welt.  Ebenso revidiere ich offiziell mein Vorurteil über in Indien gebaute Fahrzeuge. Ein Auto (Lastwagen, Motorrad, Fahrrad etc.), das  diesen Ansprüchen unter diesen Einsatzbedingungen gerecht wird, muss einfach was taugen!  Sorry Mercedes, BMW & Co.

23. März 2013

Um 06:30 geht die Sonne auf. Genau die richtige Zeit also, vom Balkon aus zu beobachten, wie der Lake Palace langsam in weiches Sonnenlicht getaucht wird. 


Im Lauf des Vormittags nimmt der Palast mit uns Kontakt auf. Die Veranstaltungen das Holi Festivals beginnen um 11:00 Uhr mit einem Empfang durch Prinz Lakshyaraj, dem Sohn des Maharanas. Wir werden wie Staatsgäste dorthin geleitet und der Prinz begrüßt uns persönlich. Man ist ganz offensichtlich gut auf unser Kommen vorbereitet.

HH Prince Lakshyaraj mit zwei seiner Mitarbeiter

Eine kleine Ausstellung von regionalem Kunsthandwerk sowie eine Gemäldeausstellung runden das Vormittagsprogramm ab. Danach zeigt man uns noch die Kristallsammlung sowie das Silbermuseum, bevor wir bei einem Mittagsimbiss von unserem Begleiter das Programm der kommenden Tage dargelegt bekommen. Am Nachmittag besuchen wir als Erstes das Automuseum, das im ehemaligen Fuhrpark des Palastes untergebracht ist. Eine wirkliche Traumgarage! Dort, wo früher die Fahrer und Mechaniker wohnten, ist heute ein Hotel, die zentrale, alte Werkstatt ein Restaurant. Die Garagen sind halbkreisförmig ausgerichtet wie es von Ringlokschuppen bekannt ist. Auf dem Areal befindet sich noch die originale (Shell-) Tankstelle. Beinahe 100 Jahre alt, ist so zwar noch funktionstüchtig, wird aber nicht mehr benutzt. Selbstverständlich war das sehr lange weit und breit die einzige Tankstelle - die Autos des Maharanas waren ja auch weit und breit die einzigen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Dementsprechend gab es zu beginn der Motorisierung auch keinerlei Straßen. Man musste die gleichen Wege benutzen, wie die Ochsenkarren. Eine Reise von 50 km dauerte 2 Tage. Zudem konnte man im Sommer wegen der großen Hitze (häufig bis 48°C) nur bis ca. 14:00 Uhr fahren, da es sonst den Autos zu warm wurde.


Zusammen mit Mr. Singh, der uns persönlich betreut, an der alten Tankstelle, die vollständig im Original erhalten ist

Ein betagter Rolls Royce genießt eine Wellnessbehandlung in der hauseignen Werkstatt

Von der königlichen Garage geht es direkt zum See, wo bereits ein kleines Boot auf uns wartet. Genau rechtzeitig zum Sonne
nuntergang bietet man uns eine private Bootsfahrt über den See an. So bekommen wir endlich den City Palace in seine vollen Größe zu sehen - das ist ja der einzige "Kritikpunkt" der uns einfällt: Wenn man im Palast wohnt, sieht man ihn nicht.


Am Abend sind wir, wie die nächsten Tage jeden Abend, verplant. Heute steht ein klassisches indisches Konzert mit Tanzdarbietungen im Palasthof auf dem Programm. Fremdartige Klänge in dieser Umgebung - es ist einfach unbeschreiblich und man beginnt unweigerlich darauf zu warten, wann man aus dem Traum aufwacht.


24. März 2013

Heute ist Kultur angesagt. Es beginnt schon damit, dass um 05:00 der Wecker klingelt. Pünktlich um 05:15 wird Kaffee auf das Zimmer gebracht und um 05:30 werde ich abgeholt und durch die weitläufige Palastanlage durch zahlreiche Tore und über viele Treppen bis zu einer Dachterrasse gebracht, wo um kurz nach halb 6 Uhr Morgens ein klassisches indisches Morgenkonzert stattfindet. Es gibt einen Morgen-Raga zu hören (Ragas sind religiöse Musikstücke, die teilweise bestimmten Tageszeiten zugeordnet sind) und so lauschen rund 30 Gäste den fremdartigen Klängen auf der stimmungsvollen Dachterasse. Das Publikum sitzt dabei auf dem Boden auf weißen Stoffbahnen mit einer Kissenrolle im Rücken. Langsam beginn es zu dämmern, die Vögel erwachen und stimmen in die Musik ein. Greifvögel kreisen über dem Palast und zwei große, schwarzgesichtige Affen rasen über die Dächer, nur wenige Meter an der morgendlichen Musikgesellschaft vorbei. Kann man sich eine würdigere Begrüßung des neuen Tagens vorstellen?! Als die Sonne schließlich aufgegangen ist, haben sich auch die Reihen vollends gefüllt und so sind es bestimmt an die 100 Leute geworden, die sich bis 8 Uhr an dieser ungewöhnlichen morgendlichen Darbietung erfreuen..

05:45 Uhr über den Dächern von Udaipur

Sonnenaufgang



Nach dem Frühstück auf der „Sunset Terrace“ treffen wir unseren persönlichen Guide für heute. Er erklärt uns zunächst die wichtigsten geschichtlichen Hintergründe, damit wir auch das nötige Grundwissen haben, um alles richtig zu verstehen. Der Rundgang durch den Palast und seine Museen hat es in sich. Waffenkammer, Miniaturgemälde-Sammlung (wobei nicht das Format, sondern die Darstellung der Bilder gemeint ist), unzählige Innenhöfe und Audienzhallen, Wohnbereiche und Dachterrassen später, sind wir schier erschlagen von dem, was uns hier geboten wird.







Nachmittags „wagen“ wir uns hinaus auf die Gassen Udaipurs, die den Palast umgeben. Das übliche Marktgewimmel ist hier etwas weniger chaotisch als schon gesehen, aber genauso faszinierend. Hier gibt es auch jede Menge „roof top restaurants“, denn alle wollen ein wenig von dem traumhaften Blick auf die berühmte Kulisse profitieren.

Der Abend ist wiederum kulturell bestimmt. Beinahe selbstverständlich werden wir um 18:30 persönlich an der Rezeption abgeholt und zum Ort des Geschehens gebracht. Dort nimmt uns jemand anderes namentlich in Empfang und geleitet uns zu unseren Plätzen in der ersten Reihe.  Heute wird auch der Maharana anwesend sein. Es gibt – was sonst? - klassische indische Musik. Als der Maharana mit seiner Frau (die Maharani) und seinem Sohn schließlich erscheint, stehen alle auf um sich erst wieder zu setzen, als auch die königliche Familie auf den Sofas drei Meter neben uns Platz genommen hat.

Obwohl wir den Inhalt der Texte nicht verstehen und die Melodie für unsere Ohren und Hörgewohnheiten schwer zu erkennen ist, nimmt uns der Gesang der in Indien sehr bekannten Sängerin Ms. Shashwati gefangen. Wir wundern uns, angesichts der pausenfreien Darbietung, was menschliche Stimmbänder aushalten können. Während über 90 Minuten gibt es nur 3 sehr kurze Pausen von weniger als 2 Minuten, um die Instrumente nachzustimmen.


Als das Konzert zu Ende ist, betritt der Maharana die Bühne um sich bei den Künstlern zu bedanken, die ihm durch Berühren seiner Füße und tiefen Verbeugungen die Ehre erweisen. Anschließend wird ihm unsere Anwesenheit mitgeteilt und er kommt mit ausgestreckter Hand auf mich zu und begrüßte mich mit den Worten „Aah – long time since we met in Pebble Beach! How are you and how ist your stay in my house so far? Are you enjoying it? Is it your first visit in Udaipur?“ Er begrüßt auch Sabine per Handschlag und stellt uns kurz seine Frau vor, aber wir haben natürlich gerade einmal die Möglichkeit zu ein paar Minuten Smalltalk. Wir werden ihn jedoch noch ausführlicher treffen um uns wenigstens eine halbe Stunde mit ihm unterhalten zu können.

Fast fällt es uns schwer, zu realisieren, was hier alles mit uns passiert. Und das herrliche Abendessen auf der Sunset Terrace mit Blick auf den beleuchteten, strahlend weißen Lake Palace macht das nicht wirklich einfacher.



25. März 2013

Nach all der Kultur gestern geht es heute wieder einmal um Autos. Ein erneuter Besuch der Oldtimersammlung des Maharanas ist gleich nach dem Frühstück, das uns um 06:30 Uhr auf unserem Zimmer serviert wird (was uns erneut das Erlebnis eines Sonnenaufganges über dem See einbringt) angesagt. Ich soll Zeit bekommen, in Ruhe einige Fotos machen zu können, bevor das Museum für „normale“ Besucher geöffnet wird. Leider sind die Licht- und Platzverhältnisse auch heute sehr schwierig und eigentlich bräuchte man wesentlich mehr Ausrüstung, als ich dabei habe. Trotzdem versuchen wir, das Beste daraus zu machen. Leider wäre es nur aus der Luft möglich, diese genial auf den Zweck zugeschnittene Anlage vollständig ablichten zu können.



Nachmittags steht noch ein Besuch des Monsoon-Palastes auf dem Programm, Dieser luftige Sommerpalast steht auf einem Berg im Nordwesten der Stadt und bietet einen herrlichen Blick auf Udaipur und Umgebung. Da unser Zimmer im City Palast eine derart geniale Lage hat, kann man es sogar von hier oben aus erkennen.  Der Monsoon-Palast wurde in den heißen Sommermonaten genutzt, weil es dort oben doch etwas luftiger zuging. Immerhin erreicht das Thermometer im Sommer bis zu 50°C (wovon wir derzeit aber noch 12 bis 15 °C entfernt sind). In den 1950er Jahren hat der Vater des heutigen Maharana den Monsoon-Palast der Regierung überschrieben, die ihn seitdem leider sehr verkommen lässt. Was ließe sich nicht alles aus diesem Juwel machen, das so exponiert inmitten eines Wildparks (in dem es noch einige wildlebende Leoparden geben soll) auf der Bergspitze liegt?! Sogar die teilweise sehr steile Straße, die hier seit den frühen 1920er Jahren hochführt, ist bemerkenswert und wäre in Deutschland längst Austragungsort eines Bergrennens geworden. Vor Einführung des Automobils war die einzige Möglichkeit, in den Monsoon-Palast zu kommen, eine Elefantenkarawane, da ja auch der gesamte Hausrat, der für einen Aufenthalt benötigt wurde, hoch geschleppt werden musste.



Am Abend – wie sollte es anders sein – gibt es erneut ein tolles Kulturangebot. Eine Musik- und Tanzdarbietung stellt beinahe alles bisherige in den Schatten. Die Farbenpracht ist nicht mehr zu überbieten. Die dargestellte Geschichte ist die von Holika, der Namensgeberin des Holi-Festes, das übermorgen als „Festival of Colors“ begangen wird. Die bisherigen Feierlichkeiten (Holika Dahan) sind ein Kulturprogramm des Palastes, das morgen in einer großen Zeremonie seinen Höhepunkt finden wird.

Zahlreiche Tänzer wirbeln über die Bühne und künstlicher Nebel, farbige Scheinwerfer und Blütenblätter, die in die Luft geworfen werden, stellen das Farbpulver dar, das zum Holi-Fest die ganze Stadt in einen Farbenrausch tauchen wird.






Der Maharana und seine Familie sind auch wieder anwesend und auch heute ergibt sich nach der Vorstellung die Möglichkeit, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Auf seine Frage, ob es mir gefallen hat, bemerke ich nur, dass ich fürchte, dass nach diesen Farben das weitere Leben nur noch aus Grautönen bestehen wird.

Abschließend fahren wir noch einmal zur Garage des Palastes und versuchen, ob sich aus der Kombination von Dunkelheit und dem vorhandenen künstlichen Licht noch etwas machen lässt, um wenigstens der 1914er Rolls Royce aus Pebble Beach etwas besser in Szene zu setzen.


26. März 2013

Heute Abend ist die Hauptveranstaltung und somit der Höhepunkt des Holika Dahan Festivals im Palast von Udaipur. Somit verbringen wir zunächst einmal einen ruhigen Tag. Wir shoppen in einem der Läden, die im Palast untergebracht sind. Beinahe selbstverständlich, dass der Ladenbesitzer davon informiert wird, dass wir persönliche Gäste des Maharana sind und daher automatisch die bestmöglichen Preise zu bekommen haben.


Da heute alle wegen der Zeremonie sehr beschäftigt sind wird es ein eher ruhiger Tag für uns. Zum Mittagessen werden wir von einem Fahrer in die etwa 6 km entfernte „Jagdhütte“ gebracht. Wie sich herausstellt, ist die Jagdhütte eher eine Lodge, das Shikarbadi Hotel, und gehört zur Hotelgruppe der HRH Hotels des Maharans. In traumhafter Kulisse und herrlicher Ruhe wird uns erneut ein unvergleichlich gutes Essen serviert. Die indische Küche ist derart gut, dass wir gar nicht mehr wissen, was wir noch alles probieren sollen. Vor allem stellen sich die Behauptungen, dass alles so scharf ist, als eher übertrieben heraus. Was allerdings das Tollst ist: Vorgestern haben wir ein paar Mitglieder einer kanadischen Reisegruppe gesehen, die doch tatsächlich Pizza und Cola bestellt haben, während 3 Meter nebenan anlässlich eines kleinen Street Food Festivals die größten Köstlichkeiten angeboten werden für weitaus weniger Geld. Und das nicht etwa irgendwo in einem dubiosen Lokal, sondern in einem wunderbaren Restaurant im Palast, wo ich mittlerweile nicht einmal mehr bei Wasser und Eis die für Indien angeratene Vorsicht walten lasse. Aber Pizza! Da fällt einem einfach nichts mehr ein. Uns jedenfalls nicht.



Die Ehrengarde nimmt vor dem privaten Wohnbereich des Maharanas Aufstellung

Um 18:00 Uhr begeben wir uns zum Veranstaltungsgelände, um in Ruhe unsere Plätze einzunehmen. Da wir unsere Eintrittskarten auf dem Zimmer vergessen haben, will uns der Kontrolleur am Eingang berechtigterweise nicht einlassen. Aber kaum 20 Sekunden später kommt ein aufmerksamer Mitarbeiter des Palastes heran geeilt, begrüßt uns namentlich und erklärt dem Kontrolleur, dass alles in Ordnung ist. Wir werden zu unseren Plätzen in der ersten Reihe geleitet, wo wir alles aus nächster Nähe mitbekommen werden.

Dann ist es soweit: Die "Soldaten" der Ehrengarde paradieren heran, zu Fuß und hoch zu Ross. Eine Gruppe uniformierter Dudelsackpfeifer marschiert lautstark auf. Schließlich fährt der Kronprinz in einem der offenen Cadillac-Oldtimer aus dem Museum vor. Besser gesagt, er wird natürlich vorgefahren. Als nächstes trifft seine Mutter, die Maharani ein, die von ihm zu ihrem Platz gebracht wird. Und als Letzter hat der Maharana seinen Auftritt. Er fährt in einer Kutsche vor und die Zeremonie beginnt. Nach Gebeten und rituellen Beschwörungsformeln wird schließlich die Stohfigur, die die arme Holika darstellt,  angezündet und vom Maharana und seiner Familie mehrfach umkreist. Mit diesem Fest wird einerseits Holika gedacht, die aufgrund wundersamer religiöser Verstrickungen  verbrannt wurde, gleichzeitig wird mit dem Fest und dem Feuer auch der Winter ausgetrieben bzw. das Frühjahr begrüßt. Außerdem ist das Holi-Fest auch eine Art Erntedankfest. Wer mehr zu den Hintergründen zum Holika Dahan  erfahren will, klickt hier.




Das Holi-Fest ist in vollem Gang. Nachdem das Feuer niedergebrannt ist und das Feuerwerk vorbei ist, begibt sich die gesamte Festgemeinde in einen anderen Hof, wo es noch einen Tanzaufführung und dann Abendessen gibt. Zahllose Kerzen tauchen den Hof in ein stimmungsvolles Ambiente. Happy Holi!




27. März 2013

Happy Holi! Das ist auch heute der Wunsch der einem von jedem entgegengebracht wird. Am 27.3. ist dieses Jahr der Holi-Feiertag. Alle Geschäfte sind bereits seit gestern Nachmittag geschlossen. In der ganzen Stadt ist zu diesem Anlass aufgeräumt worden. Um 11:00 Uhr werden wir von einem Fahrer abgeholt, der uns zum Privathaus unseres persönlichen Betreuers bringt. Dort haben wir die Gelegenheit, in privatem Rahmen Holi zu feiern. „Playing Holi“ heißt das hier und gleich zur Begrüßung werden wir von unserem Gastgeber und auch von seinem 89jährigen Großvater mit dem knallbunten Farbpulver, das aus Specksteinstaub hergestellt wird, eingerieben. Ebenso geht es allen anderen Gästen und innerhalb kürzester Zeit ist alles bunt. Die Kinder haben den größten Spaß daran, die Erwachsenen nass zu spritzen, denn dann geht die Farbe schwerer ab. In einem Nachbarhaus wird noch eine kleine Zeremonie abgehalten, an der wir teilnehmen können. Im Mittelpunkt steht ein 7 Monate altes Baby, das sein erstes Holi-Fest feiert. Im Laufe der Zeremonie erhält es von allen Anwesenden die besten Wünsche mit auf den Weg.



Als wir wieder zurück im Haus unseres Gastgebers sind, dauert es nicht lange und Prinz Lakshyaraj kommt auf einen Besuch vorbei. Heute ganz in zivil und lässig unterwegs nimmt er Platz und wenn man es nicht wüsste, wäre er einfach ein „ganz normaler“ Mensch.

Langsam gilt es, dass wir uns auf den Weg machen. Um 17:00 Uhr haben wir einen Termin beim Maharana und bis dahin sollten wir wieder halbwegs sauber sein. Nach einer Stunde heftigem Schrubben kommt unsere originale „Patina“ wieder zum Vorschein und frisch restauriert machen wir uns auf den kurzen Weg zur Privatresidenz im Palastkomplex.



Auch der Maharana ist heute zivil unterwegs. Er hat heute einen ruhigen Tag und freut sich, dass wir nun endlich Gelegenheit haben, uns etwas privat zu unterhalten. Erinnerungen an Pebble Beach 2012 werden aufgefrischt und er erzählt ausführlich von der 10 Jahre dauernden Restaurierung und den bürokratischen Hürden, die er zu nehmen hatte, um den Rolls Royce aus Indien hinaus und anschließend auch wieder hinein zu bekommen. Wir haben seiner 7jährigen Enkeltochter ein englisches Ferdinand-Buch mitgebracht und so ruft er sie herbei, damit wir das Geschenk persönlich übergeben können. Die kleine Prinzessin freut sich, bedankt sich artig und verspricht, per eMail ein Feedback zu geben. Ich bin auf die königliche Kritik schon sehr gespannt.


Abschließend teilt uns der Maharana noch mit, dass er wahrscheinlich noch in diesem Jahr nach München kommt und bei dieser Gelegenheit dann auch unsere Garage anschauen möchte. Da er auch einen Ford A (Bj. 1930) besitzt, ist er natürlich besonders interessiert.


Auf dem Rückweg zu unserem Zimmer überlegen wir, ob wir dann mit ihm in einen Biergarten gehen sollen – ich denke, das wird ihm gefallen.

Unseren letzten gemeinsamen Abend dürfen wir mit einem Exklusiv-Dinner im Jagmandir Island Palace mitten auf dem Pichola See begehen. Ein privates Boot setzt uns über und von hier haben wir endlich einen guten Blick auf unser Traumdomizil, das der City Palace nun für fast eine Woche gewesen ist. Der Palast wurde im 17 Jahrhundert erbaut und ein Teil davon gilt als „Vorlage“ oder Inspiration für das später erbaute Taj Mahal. Tatsächlich hat es die gleichen Proportionen, nur viel kleiner natürlich. 1623 hat der Bauherr des Taj Mahal hier Zuflucht gefunden und die Inspiration mitgenommen. So dinieren wir also in diesem herrlichen Ambiente mit Blick über den See auf City Palace und Lake Palace, werden aufs Beste von unserem persönlichen Kellner (nein, „Kellner“ kann man das bei dieser erstklassigen Behandlung eigentlich gar nicht nennen!) bedient und kommen uns irgendwie immer noch wie in einem Märchen vor.


28. März 2013

Der Maharana hat mich gebeten, seinen 1930er Ford A Phaeton einmal etwas genauer anzuschauen und so fahren wir morgens gleich zur Garage. Heute steht "rein zufällig" der Ford A unter dem Pavillon, da die Autos hier ohnehin wöchentlich durchgewechselt werden. So kann ich das Fahrzeug in Ruhe inspizieren, finde aber nur wenige nicht originale Teile, die leicht ausgewechselt werden können. Ich finde noch heraus, dass es sich um einen in Canada gebauten Ford A handelt, da er eine originale CAT-Motornummer hat, die nur in Canada verwendet wurden. Dort wurden auch rechtsgesteuerte Ford A für das British Empire gebaut - insgesamt eine schlüssige Historie also. Ich finde, das Rot steht dem Auto auch ziemlich gut.


Der restliche Tag besteht nur noch aus diversen Einkäufen. Vor lauter Programm sind wir kaum dazu gekommen, Mitbringsel zu kaufen und so ziehen wir noch einmal los. Gefühlte 100.000 Tücher später ist auch das erledigt und um 19:00 Uhr ist diese denkwürdige Reise für meine Frau so gut wie zu Ende. Ich setze sie am Flughafen in Udaipur ab, von wo sie den Heimflug antritt. Ich werde morgen mittag abgeholt und fahre (besser: lasse fahren) über Jaipur zurück nach Delhi, wo ich mich noch einmal mit den Motorrad-Leuten treffen werde, die ich zu Beginn der Reise kennen gelernt habe. Ich glaube, in dieser Richtung wird sich etwas ergeben in nächster Zeit!


29. März 2013

Der Tag der Abreise ist gekommen. Die letzten Stunden im Palast verbringe ich mit einer Besprechung zu einem Projekt, das wir für das kommende Jahr andenken. Dabei habe ich auch noch Gelegenheit, mich wenigstens bei Prinz Lakshyaraj für die unglaubliche Gastfreundschaft zu bedanken. Der Maharana musste überraschend nach Delhi abreisen und so kann ich mich bei ihm heute nicht mehr persönlich verabschieden.

Frühstück

Der Abschied fällt schwer, nicht nur, weil es hier im Palast von Udaipur so schön ist und wir so herrschaftlich behandelt werden. Ich habe auch eine ganze Reihe neuer Freunde gewonnen.  Etwas verspätet mache ich mich also mit meinem neuen Fahrer auf den Weg nach Jaipur. Der alltägliche Wahnsinn hat mich also wieder. Am chaotischen Verkehr hat sich seit letzter Woche nichts geändert und so streben wir laut hupend meiner vorletzten Station zu. Ich bemerke durchaus einen Unterschied beim Fahrstil zwischen den Palastangestellten und „normalen Menschen“: Letztere sind einfach lauter. Die Fahrer, die im Dienst seiner Hoheit stehen, gehen die Sache etwas ruhiger an, fahren wesentlich verhaltener und hupen deutlich weniger.



Auf der Autobahn verfehlen wir wegen zahlreicher am Straßenrand parkender LKW knapp die Ausfahrt nach Chittorgarh, der alten Hauptstadt Mewars. Kein Problem – eine Lücke im Verkehr wird zum wenden benutzt, eine weitere, um eine LKW-Länge gegen die Fahrtrichtung zurück zu fahren und eine dritte, um schließlich die Ausfahrt zu erreichen und in einer Art Spitzkehre die Autobahn beinahe regelkonform zu verlassen.

Da auch das überlebt ist, habe ich wenig später doch noch Gelegenheit, das Fort in Chittorgarh zu besichtigen – wenn auch nur kurz. Ich besteige den sog. Siegesturm, eine architektonische Meisterleistung. Eigentlich handelt es sich dabei um eine 37 m hohe „begehbare Säule“. Eine extrem enge Treppe schraubt sich in unterschiedlicher Anordnung von Stockwerk zu Stockwerk, führt ab und zu wieder ein paar Stufen hinab, um dann in anderer Windung weiter nach oben zu führen. Dort endet sich in einem Raum, der gleichzeitig die Spitze des Turmes bildet und eine großartige Aussicht ermöglicht. Das Hinabsteigen stellt sich deutlich schwieriger dar, da offenbar eine große Gruppe indischer Touristen gerade mit dem Aufstieg beschäftigt ist. Die „einspurige“ Treppe lässt eigentlich keinen Begegnungsverkehr zu und so erinnere ich mich bald an die „Verkehrsegeln“ und nutze einfach frech jede sich bietende Lücke, zur Not auch bei Gegenverkehr. Eine Hupe wäre hilfreich, aber es geht auch so und ich lande schließlich wieder im Erdgeschoß, wo zunächst die Suche nach meinen Schuhen ansteht.


Der gesamte Bergrücken ist befestigt, die Anlage ist sicher 2 km lang

Weiter geht es Richtung Jaipur. Nach Einbruch der Dunkelheit sind kaum noch PKW auf der Autobahn unterwegs. 90 % der Fahrzeuge sind LKW, mehr oder weniger beleuchtet, allesamt nach unseren Maßstäben eher verkehrsunsicher. Eine Reifenpanne wird kurzerhand auf der Überholspur behoben – die „Reparaturstelle“ (eine Unfallstelle ist es ja noch nicht) wird durch ein 5 m hinter dem LKW quer zur Fahrtrichtung abgestelltes Motorrad abgesichert, während sich der Fahrer und ein Helfer todesmutig am Hinterrad zu schaffen machen.


Kaum dass die Stadt erreicht ist, mischen sich zunehmend nervenstarke Tuk-Tuk-Fahrer unter die LKW und versuchen, nicht unter die Räder zu kommen. Glücklicherweise erkenne ich das Chaos in der Nähe des früher erwähnten Busbahnhofes wieder und so findet der Fahrer unter meiner Wegweisung sicher den Weg ins Hotel. Gut, wenn man sich auskennt. Den beiden jungen europäischen Touristinnen, die hier im falschen Hotel Laxmi Palace gelandet sind, weil sie die Visitenkarte ihres Hotels verloren haben, und nur noch wissen, dass es „something with Laxmi“ hieß, kann ich allerdings nicht helfen. Der nette Rezeptionist schreibt ihnen jedoch alle 5 Adressen von Hotels, die grundsätzlich in Frage kommen auf und so steht den beiden sicher noch eine abenteuerliche Tuk-Tuk-Fahrt durch’s nächtliche Jaipur bevor.

Eine Kleinigkeit möchte ich hier noch erwähnen: In der Ruinienanlage von Chittorgarh sind - wie bei allen Sehenswürdigkeiten - natürlich mehr oder weniger aufdringliche Verkäufer von irgendwelchem Souvenirkitsch unterwegs. Die meisten lassen es beim Versuch und akzeptieren spätestens das zweite Nein. Normalerweise kaufe ich denen nichts ab, denn wie gnadenlos überhöht die Preise sind, zeigt ein Beispiel aus Fatehpur Sikri: Dort wollte ein Junge für ein paar bunte Kugelschreiber erst 10 Dollar (ca. 5.000 Rupien), dann, nachdem ich ablehnte, ging er von alleine immer weiter runter. Am Ende wollte er nur noch 100 Rupies für die 10 Stifte. Die habe ich ihm dann schließlich auch gegeben, damit Ruhe ist. Es lag eigentlich hauptsächlich daran, dass er gut drauf war, mir natürlich auch irgendwie leid tat und zudem keine anderen mehr in Sichtweite waren. Aber wie gesagt, normalerweise sollte man in diesen Situationen wohl lieber nichts kaufen. Vor allem, weil man ja dann sehr große Mühe hat, alle anderen, denen man nichts abgekauft hat, loszuwerden. Heute, in Chittorgarh, habe ich diese Mühe auf mich genommen. Nachdem ich mich freundlich ablehnend durch eine ganze Gruppe kleiner Mädchen gekämpft habe, die mir ihre Ware unter die Nase hielten, bin ich am Ausgang schließlich stehen geblieben, habe umgedreht und bin die 100 m zurück gelaufen. Unter den ganzen Sachen ist mir etwas aufgefallen: Eine vielleicht 6jährige, die bescheidenste und zurückhaltendste unter allen, hatte nämlich kleine, selbstgemalte Bilder angeboten anstatt den üblichen Ramsch. Das hat mir dann doch imponiert und ich habe ihr 4 Stück abgekauft. Das Leuchten in Ihren dunklen Augen war die 50 Rupies alleine schon wert und außerdem ist das ein richtiges Andenken. Ich bin im Nachhinein noch froh, dass ich das gemacht habe.




30. März 2013

Der Weg nach Delhi besteht praktisch durchgehend aus Autobahn. Was nicht heisst, dass die ca. 250 km schnell zurückgelegt sind. Gute 5 Stunden Fahrzeit muss man einkalkulieren und man braucht sie auch, wie sich herausstellt.

Auch heute schickt der Fahrer vor der Abfahrt  ein kleines Stoßgebet zu Lord Ganesha, den elefantenköpfigen Sohn Shivas und Parvatis. Ich bin damit durchaus einverstanden, denn Ganesha habe ich längst zu einem meiner zwei „Lieblings-Gottheiten“ erklärt. Nicht nur, weil seine Verkörperung sehr sympathische Züge hat, er steht auch für allerlei, was ich als vollkommen sinnvoll erachte. Daher bin ich auch ganz beruhigt, dass Ganesha als kleines Bild auf dem Armaturenbrett immer dabei ist. Die andere hinduistische Gottheit, in deren Zuständigkeit ich mich gerne begebe, ist Lakshmi. Im Verbund mit diesen beiden, finde ich, kann in Indien nichts schiefgehen und so denke ich mir auch nichts, als uns zum wiederholten Male Geisterfahrer, die der Einfachkeit halber auf unserer Seite fahren, entgegenkommen. Obwohl, hier auf der Autobahn sehe ich eigentlich die einzigen Unfallfahrzeuge. Gut, würde man die bei uns auch einfach bis auf weiteres stehen lassen, wären die Autobahnen auch voll davon. Und in den Städten bleibt es wohl aufgrund der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten meist bei kleinen Beulen und Kratzern.


Wie auch immer, wir erreichen Delhi sicher und ich stelle mein Gepäck ins Hotelzimmer, bevor ich mich erneut mit meinem neuen Motorrad-Freund treffe. Er zeigt mir vier seiner Royal Enfields und außerdem seine Ideen, wie ein solches Motorrad für mich aussehen könnte. Ich bin sehr gespannt, wie das weitergeht, denn auf dieser Basis lässt es sich gut arbeiten und planen. Mal sehen, ob und wie wir am Ende zusammen kommen und ob ich noch in der hoffentlich bald beginnenden Saison ein Bike aus Indien geliefert bekomme.



Eines der wenigen Schilder, die im Verkehr beachtet werden

Morgen geht nun meine Indien-Tour zu Ende. Zeit also, ein Resümee zu ziehen:

Von Indien im Allgemeinen habe ich ja nur sehr wenig gesehen. Rajasthan ist nur einer von 28 Bundesstaaten des riesigen Subkontinents mit 1,4 Mrd Menschen. Für mich völlig unerklärlich ist, warum über diesen Teil der Welt bei uns kaum jemand wirklich etwas weiß. Praktisch alle, mit denen ich vor der Reise gesprochen habe, warnten einmütig vor dem Essen und vor dem Wasser, manche warnten sogar davon, überhaupt irgendwas anzufassen. Außerdem lauert an jeder Ecke Malaria und Hepatitis, sowie die Gefahr, beraubt oder (als Frau) zumindest vergewaltigt zu werden. Zugegeben, ganz so schlimm war es nicht mit den Warnungen, aber tendenziell lief es darauf hinaus. Die Wirklichkeit sah nun doch ganz anders aus. Ich habe eigentlich ausschließlich freundliche Menschen getroffen. Beeindruckt hat mich auch, dass selbst sehr arme Menschen nicht mit ihrem Schicksal zu hadern scheinen. Selbst in den armseligsten Hütten am Straßenrand konnte ich nicht nur manchmal, sondern sogar sehr häufig, lachende Gesichter erkennen. Trinkwasser ist absolut kein Problem – es gibt überall Trinkwasser aus geschlossenen Flaschen. Ich habe in den einfachsten Buden an der Straße Masala-Tee getrunken, der sicher nicht mit Mineralwasser zubereitet, aber normalerweise gekocht wird. Die Gläser wurden sicher auch nicht mit desinfiziertem Wasser gespült, was ich jedoch erfolgreich verdrängt habe. Ich habe hier und da „Street Food“ probiert, fand auch alles, was ich zu mir nahm, nicht zu „spicy“ und kann mich immer noch nicht über Touristen beruhigen, die sich diesen Genüssen vor lauter Vorsicht verschließen. Heute erst habe beim Mittagsstop wieder ein europäisches Pärchen gesehen, das sich eine Tüte Kartoffelchips, eine Toblerone und eine Cola geteilt hat. Sicher nicht, weil das so gut schmeckt. Ich fragte mich also ernsthaft, wohin wir im sogenannten Westen bereits gekommen sind... 
Kurz – alle Warnungen haben sich als ziemlich überflüssig erwiesen und ich bin außerdem nun der Meinung, dass es uns in Europa gut anstehen würde, einiges zu überdenken, was unseren Alltag ausmacht.

In Sachen Oldtimer wurden alle meine Erwartungen übertroffen. Nicht nur, dass ich wesentlich mehr Fahrzeuge gesehen habe, als ich dachte. Ich habe auch viele sehr interessante Menschen getroffen und ich habe eine ganze Reihe neuer Freunde gewonnen. Alleine das war es wert.

Was den Verkehr angeht: Für einen normalen Urlaub ist ein Leihwagen mit Fahrer die richtige Wahl. In Indien befindet sich praktisch alles, was je zur Fortbewegung von Menschen und zum Transportieren von Lasten erfunden wurde, gleichzeitig in großer Harmonie (wir erinnern uns: alles fließt!) auf der Straße: Pferde- und Eselkarren, Elefanten, ganze Kamelkarawanen, Fahrradrikschahs, Lastenräder, Handwagen, Lkw und Busse in abenteuerlichen Daseinsformen, Pkw, Tuk-Tuks, Motor- und Fahrräder, Traktoren, Schwertransporte, ja sogar Erntemaschinen (obwohl hier noch sehr viel von Hand geerntet wird). All das fährt wild durcheinander. Nichts für schwache Nerven also.


Mein abschließender Rat: Planen Sie ihren nächsten Urlaub in Rajasthan! Es lohnt sich! Und wie! Auch wenn man normalerweise natürlich nicht so ausgiebig mit der hiesigen Oldtimerszene in Kontakt kommen kann, wie mir das vergönnt war.


Nachtrag 1:

Nachtrag 2:

Nachtrag 3:
Nachtrag 4:
He found my blog: "Just a Car Guy"
And another site mentions this blog too: http://chrisoncars.com/2013/07/from-pebble-beach-to-udaipur-india/

Nachtrag 5:
more pictures here: http://www.youtube.com/watch?v=DK8ezAyvr8w


Nachtrag 6:
Im Februar 2015 werden die Bahia (die Glaubensgemeinschaft, der der Lotus-Tempel gehört), von Narendra Modi offiziell als Minderheit anerkannt. Es gibt ca. 2 Millionen Bahia in Indien.

Nachtrag 7:
have a look at my blog about the "21 Guns Salute Rallye" which took place in Delhi in Februar 2015 (see time line on the top right)




10 Kommentare:

  1. Hallo Claus,
    ich bin immer noch neidisch :-)....klingt alles nach einem Märchen.....ich wünsche Dir ganz viel Spaß und freue mich über spannende Geschichten!
    Grüße aus dem Ölsumpf,
    Pascal

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  2. Lieber Claus,

    dass ist ja eine fantastische Geschichte! Vor Jahren war ich mal in Jaipur, und völlig verzückt von den Farben, den Gerüchen, und den Menschen. Ich wünsche Dir eine wunderbare Zeit, und werde den Blog gebannt befolgen! Kauf nicht soviele Autos, wenn Du dort bist, Engländer sind (noch?) nicht Deine Leidenschaft ;-)!

    Und geize nicht mit Fotos! Gib uns Frühling!

    Herzliche und mitfreuende Grüsse,

    Petra

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  3. Sodala.....des hast jetzt davon! Jetzt bleibe ich neidisch...:-).
    Das Lesen macht wirklich Spaß.....jetzt bitte noch das Thema "einheimische Zubereitung von Speisen und deren Folgen"!
    Beste Grüße aus dem Ölsumpf.
    Pascal

    PS Kannst Du nicht zwei oder drei Bullets, BSA Rockets oder Enfields schicken?

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  4. Lieber Pascal,
    klar kann ich. Lass Dir nur Zeit. Ist alles in Arbeit.

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  5. Claus, wie klasse! Gibts auch Bilder von den kulinarischen Köstlichkeiten? Danke, dass Du uns so herrlich teilhaben lässt, das sind wirklich wunderschöne Eindrücke!

    Begeisterte Grüsse,

    Petra

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  6. Petra - vom Essen haben wir wenig Bilder. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns sofort darüber her machen, weil alles so lecker ist. Aber ich werde versuchen, da noch nachzulegen :-)

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  7. ....und neben den Tüchern nicht vergessen, verrückte Gewürzmischungen mit zu bringen.....falls man sowas überhaupt dem Zoll erklären kann, was das für Pulver in den Tütchen sind ......:-))))))

    Bist Du zur TC eigentlich schon wieder zurück?

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    1. Die Gewürze habe ich gleich direkt per Post nach Deutschland schicken lassen! Ich freue mich jetzt schon auf den Besuch beim Zoll... :-)

      Und ja, ich fliege morgen heim und bin natürlich in Essen. Bis dahin also!

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  8. Hallo Herr Müller,
    das war bestimmt ein tolles Erlebnis. Es hat Spaß gemacht Ihre Berichte zu lesen und die schönen Bilder zu sehen. Ich war auch schon zweimal in Indien und kann alles gut nachfühlen.

    Heinz Haubrich

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  9. Hallo Herr Müller,

    nach mehren Anläufen und Unterbrechungen habe ich es nun endlich geschafft Ihren
    Blog nochmals im Ganzen zu lesen, was mir wirklich Spaß gemacht hat und mir sehr viel Neues
    gezeigt hat.

    Der Bericht ist so interessant und lebhaft geschrieben, dass es direkt, die leider durch Alltäglichkeiten, unterdrückte Reise- und Erlebnislust, aktiviert. Vorstellungen über Indien sind für viele Menschen , auch für mich, sicherlich anders als von Ihnen berichtet. Umso mehr möchte man am liebsten auch dieses Land bereisen um es tatsächlich zu erleben.

    Leider besitzen wir keinen Vorkriegsoldtimer um an der geplanten Rallye teilnehmen zu können.

    Vielen Dank für diesen spannenden Bericht über Ihre Reise. Falls es noch weitere links von Ihnen zu Berichten dieser Art gibt, würde ich mich freuen diese auch lesen zu können.

    Mit freundlichen Grüßen aus Spanien

    Andy K.

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